Hühnerfrikassee gab es auch schon bei meiner Mutter, aber ich habe es nie nachgekocht. Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wie es schmeckte. Aber wahrscheinlich kamen bei meiner Mutter Haut und Knorpel mit in das Frikassee.
Da ich in meiner Kindheit sowieso Schwierigkeiten mit dem Fleisch hatte, habe ich es wahrscheinlich deshalb aus meinem Gedächtnis gestrichen.
Vor 13 Jahren habe ich es dank Mutter Momsen wieder entdeckt.
Grete lernten wir im Sommer 1971 (es war der 3. Juli) kennen. Michael Lohmann hatte zu einem großen Fest auf seinen wunderschönen Bauernhof in Niederbayern eingeladen. Er arbeitete als Lektor in der wissenschaftlichen Abteilung des Hanser Verlages (er ist Biologe). Wir kannten ihn aus der Silcherstraße - seine damalige Frau Almut ist die Tochter des anthroposophischen Kinderarztes, Zur Linden, nach dessen Buch ich mich sehr richtete, und das ich sowohl bei Ursula und Florian als auch bei Nickls sehe -. Ihr drei durftet mitkommen, konntet den ganzen Tag mit den anderen Kindern, den Leube-Kindern zum Beispiel, herumtoben, dann beim Grillen helfen, und spät in der Nacht wurdet ihr ins Heu geschickt. Du kannst dich sicher nicht mehr daran erinnern. Frage Michael, was ihr da alles angestellt habt.
Du hast dir als Kind sicher oft gewünscht, daß wir Grete lieber nicht hätten kennenlernen sollen. Eben weil sich eine so schöne Freundschaft entwickelt hat, haben Grete und ich sehr viel zusammen unternommen. Und du hast sicher oft das Gefühl gehabt, daß Grete mich dir wegnimmt. Daß ich auch einmal ohne euch etwas machen wollte, wollte dein kleines Kinderherz noch nicht wahrhaben.
Mutter Momsen besuchte Grete jedes Jahr ein- oder zweimal in München, und so lernten wir sie im Herbst 1971 kennen. Mutter Momsen mit ihrem großen Verständnis für die nachfolgenden Generationen und ihrem weiten Herzen nahm mich als Ersatztochter an. Das war besonders schön für mich, weil ich meine Mutter so früh verloren habe.
Als wir Mütterchen kennenlernten, war sie 65 Jahre alt bzw. jung. Wir beschlossen, alle zusammen zu ihrem 70. Geburtstag nach Bremen zu fahren, um dort mit ihr gemeinsam zu feiern. 1976 war dann Christoph nicht mehr mit von der Partie. Aber Grete, Aggy und ich machten unser Versprechen wahr, nahmen uns ein paar Tage frei - ich studierte damals - und fuhren mit dem Auto nach Bremen.
Am Sonntag, dem 8. Februar, hatte Mumo Geburtstag.
Wir mußten mittags nach München zurückfahren, und so machte uns Mumo noch ein leichtes Essen: Hühnerfrikassee. Es schmeckte herrlich, und ich konnte es nicht genug loben. Mutter Momsen erklärte uns lange den Vorteil von frischen Hühnern, die die Möglichkeit gehabt hatten, frei herumzulaufen und nicht in Zucht- und Legebatterien eingepfercht worden waren. Lange sprachen wir über die freilaufenden Hühner.
Während des Essens klingelte ein Bote von Fleurop und brachte für die Jubilarin einen Blumenstrauß mit einer Glückwunschkarte.
Grete las sie uns vor: "Genieße das Leben, solange noch die Blumen blühen, die Bäume wachsen, die Vögel zwitschern, und solange die Hühner noch frei herumlaufen können". Ich war so erstaunt, daß Mumos Freunde auch von der Qualität der freilaufenden Hühner überzeugt waren, es auf dieser Karte kundtaten, und daß sie passend zum Essen eintraf.
Mein: "So ein Zufall, das steht da wirklich?" löste unendliches Gelächter aus. Tränen kullerten. Nachdem ich kapiert hatte, daß Grete uns mit ihrer schnellen Formulierungsgabe ein wenig auf den Arm nehmen wollte, lachte ich herzlich mit. Und so hatten wir unsere Geschichte zum Hühnerfrikassee.
Wir haben sie noch oft erzählt, denn immer wenn Mumo in München war, kochte sie uns dieses wunderbare Essen.
Inzwischen koche ich selbst Hühnerfrikassee. Bei Muttern schmeckt es mir aber immer noch eine Idee besser.
Man nehme - diese Formulierung muß auch einmal sein:
1 Huhn
500 g Champignons
1 Bund Petersilie
etwas Suppengrün
500 g Spargel
Mehl und Butter für die Einbrenne
Salz oder Suppenwürfel
Die Zubereitung ist die gleiche wie beim
Curry-Huhn. Den Curry aber läßt du im Gewürzregal stehen.
In der Spargelzeit nehme ich natürlich frischen Spargel. Er wird geschält, in Stücke geschnitten und in wenig Wasser gekocht. Das Spargelwasser kommt mit in die Brühe. Wenn du keinen frischen Spargel bekommst, nimmst du ein großes Glas Spargel.
Auch zum Hühnerfrikassee gehört locker gekochter Reis.
Aus dem Rest der Brühe machst du wieder eine Suppe.