Freunde nahmen immer ganz selbstverständlich an, daß ich gerne koche.
Mal ehrlich, kann sich jemand vorstellen, daß eine Mutter, die bis zu ihrem 50. Lebensjahr zwischen vierzehn- und achtzehntausend Essen auf den Familientisch zaubern mußte, noch Spaß am Kochen hat? Ich würde lügen, wenn ich nicht eingestehen würde, daß mir das tägliche Muß oft lästig war. Meine Familie war wenig hilfreich bei der Entscheidung, die Hausfrauen (die wenigen Hausmänner sind hier eine zu vernachlässigende Größe) dreihundertundfünfundsechzigmal im Jahr treffen müssen. Auf meine Frage: "Was wollt ihr heute essen?" bekam ich meist zur Antwort: "Och, was Gutes". Immerhin konnte ich diesen Satz als Kompliment für die mütterliche Kochkunst deuten.
Durch meine eigene Freude am Essen wurde meine Familie von fade schmeckendem Einerlei, von Büchsen und Fertiggerichten verschont, und die lustvollen Esser an unserem runden Tisch verschafften mir Erleichterung in meinem Hausfrauenjoch.
Heute, da meine drei Kinder aus dem Haus sind, rechne ich mich zur Gilde der einfachen
Hobbyköchinnen, und nichts ist vergnüglicher für mich, als eine der Lieblingsspeisen
zuzubereiten und alle Kinder wieder um meinen Tisch zu versammeln. Wenn sie dann zulangen: "Hhmmmm, endlich wieder ein Mama-Essen", und ich sie wie in alten Zeiten daran erinnern muß, daß sie in der Runde fragen sollen, ob noch ein anderer an dem letzten Hühnerbein oder dem Rest des Blaukrauts interessiert ist (wehe!), bin ich glücklich.
Bei solchen Familientreffen wird mir auch immer wieder ganz deutlich, daß Essen nicht nur den Magen zufriedenstellt, sondern eine ganz wichtige soziale Funktion hat.
Bei einer gemeinsamen Mahlzeit werden Unternehmungen geplant und besprochen, jeder erzählt von seinen Erlebnissen, seinen Sorgen oder Erfolgen. So darf die Bedeutung eines ganz normalen familiären Mittag- oder Abendessens nicht unterschätzt werden. Für Kinder hat die Fünf in Mathematik oder der Streit mit dem Banknachbarn den gleichen Stellenwert wie für Erwachsene der Rüffel vom Chef oder die Unstimmigkeit mit einem Kollegen. Jeder kann von seinen Kümmernissen erzählen, erfährt Erleichterung durch Zuhören, durch Ratschläge - und durch eine Mandelforelle oder nur einfach durch Kartoffeln mit Schnittlauchquark. Bei größeren Problemen ist eine süße Nachspeise hilfreich.
Aber auch fern von Mutters Kochtöpfen wollten meine Kinder das eine oder andere Gericht nicht missen, und ich wurde immer wieder nach den Rezepten gefragt. Besonders meine Tochter, die in Italien studiert, will ab und zu ihren italienischen Freunden ein deutsches Essen servieren.
Da ich die meisten Gerichte nur aus dem Gedächtnis koche, lag es nahe, daß ich meine Rezepte einmal aufschreibe.
Julias 25. Geburtstag war ein würdiger Anlaß, ihr unsere Familien-Rezepte-Sammlung zu überreichen. Ich meine, daß es das schönste Geschenk war, das ich meiner Tochter machen konnte.
In die erste Version hatten sich doch einige Fehler und Ungenauigkeiten eingeschlichen. So habe ich für diese "Ausgabe" noch einmal alles überarbeitet und viele Gerichte nachgekocht, um genauere Mengenangaben machen zu können. Für Menschen, die zum Kochen eine Briefwaage und zum Backen ein Zentimetermaß benötigen, ist es sicher immer noch ungenügend. Beim Kochen braucht die Phantasie Spielräume. Ich halte mich selten an die vorgegebenen Mengen und nehme auch nicht immer die gleichen Zutaten.
Gerade wenn man für eine Familie kocht, braucht man Phantasie, einmal um den Speiseplan abwechslungsreich zu gestalten, aber auch zum Improvisieren. In der "heißen" Zeit meiner Kinder zum Beispiel wäre ich völlig verloren gewesen, wenn ich immer nach genauen Mengenangaben gekocht hätte.
Wie oft mußte ich ein für vier Personen geplantes Essen strecken und verändern! Wenn ich abends nach Hause kam, signalisierten mir schon im zweiten Stockwerk (wir wohnten im fünften) Dollar Brand oder Amon Düül, daß ich zu wenig eingekauft hatte. Ich danke heute noch den anderen Hausbewohnern für ihre Toleranz. Eine Zeitlang war unsere Wohnung eine Art Jugendtreff, und mindestens vier Freunde der Kinder mußten zusätzlich so weit gestärkt werden, daß sie einen Popclub-Abend überstehen konnten.
Selbstverständlich braucht man zum Kochen außer Phantasie auch Wissen und Übung. Als meine Tochter noch bei mir wohnte, interessierte sie sich zwar fürs Essen, nicht aber fürs Kochen. Sie half mir oft, schnippelte Gemüse, wusch Salat oder spülte nach dem Essen ab, aber beim Zubereiten der Gerichte schaute sie überhaupt nicht hin, ließ sich nichts zeigen und wollte auch nie selbst etwas ausprobieren ( eine Ausnahme waren die Weihnachtsplätzchen). Sie war keineswegs zu faul. Ich glaube vielmehr, daß sie unbewußt einen Vergleich mit mir scheute. Oft habe ich darüber nachgedacht, warum ausgerechnet meine Tochter so reagierte, denn meine beiden Söhne wagten sich schon früh an Experimente und kochen heute sehr famos. Sie selbst behauptet, daß sie es ja nicht nötig hatte, da alle um sie herum doch so fabelhaft kochten.
Nun, da selbst der letzte Kaiser von China das Gärtnerhandwerk erlernen mußte, habe ich mit den Rezepten auch versucht, unserer Prinzessin das nötige Grundwissen und einige Tricks des Kochhandwerks zu vermitteln. Eine umfassende Kochlehre ersetzt dieses Kochbuch nicht, aber ich denke, daß auch Anfänger sich an die Rezepte wagen können.
Danken möchte ich allen Freunden: den Aufmunterern, Ratgebern und Probe-Essern, Annette Seybold, Jutta Giese und Wilfried Schröder für ihre Korrektur-Lesungen - eventuell trotzdem vorhandene Fehler habe nur ich zu verantworten, da ich nicht immer ihren Vorschlägen folgte -, Burkhard Kaden für seine geduldige und bereitwillige Computer-Hilfe - er konnte mich davon überzeugen, daß nicht die, von mir im Computer vermuteten, kleinen grünen Männchen die Finger im Spiel hatten, wenn Zeilen verrutschten oder Texte verschwanden. Bei der ersten Fassung aber war der Computer noch nicht in Sicht, und so möchte ich ganz besonders Gabi Kriegl danken, die das erste schlecht leserliche Manuskript in Nacht- und Sonntagsarbeit wunderschön abtippte. Ihre witzigen Kommentare und Einwürfe konnte ich leider nicht übernehmen. Aber den Wunsch von Seite 180 werde ich ihr immer erfüllen.
ZUSATZ ZUR INTERNETAUSGABE:
"UllAS ALLERLEI" entstand in den Jahren 1989 bis 1992.
Es ist eine einfache Rezeptesammlung, ein Kochbuch für die Familie und Freunde.
Die "Auflage" bestand aus 120 Exemplaren. Mein eigenes Exemplar - ich muß auch ab und zu Mengenangaben nachschlagen oder mir Anregungen für Einladungen holen - ist völlig zerfleddert aber mit vielen Anmerkungen und Korrekturen versehen.
Gelegentlich werde ich gefragt, ob ich noch ein Exemplar habe.
Dank Michaels Idee und Einsatz kann ich jetzt aufs Internet verweisen.
Für die "Internetausgabe" habe ich Fehler korrigiert, bei einigen Rezepten kleine Veränderungen vorgenommen und ein paar neue Rezepte aufgeschrieben.
Dabei habe ich mich nicht um die neue Rechtschreibung gekümmert.
München März 2008