In diesem Kapitel findest du nur Hühner-Rezepte. Da Michael es mit seiner Zeichnung aber zu einem Geflügelkapitel erweitert hat, laß ich es bei dem Titel. Es würde sicher genauso viel Zeit in Anspruch nehmen, Michael dazu zu bewegen, aus den Geflügelbeinen Hühnerbeine zu zeichnen, wie ich zum Ausprobieren eines knusprigen Gänse- oder Entenbratens brauchen würde.
Die Schwierigkeiten am Beginn meiner Kochkarriere mit dem Federvieh habe ich im Weihnachtskapitel geschildert. In den Jahren danach erinnere ich mich nur an gefrorene Hühner, die dann allerdings ausgenommen waren. Aber ich habe früher selten Hühner gebraten. Mit den Braten stehe ich eh ein wenig auf Kriegsfuß. In der Hertie-Lebensmittelabteilung holten wir uns ab und zu am Samstag ein fertiges Hähnchen. Die waren recht gut und nicht teuer. Die Geier vom Wienerwald durften es auch manchmal sein.
In den sechziger Jahren hatte sich die pharmazeutische Industrie der Hühner angenommen und sie fleißig mit Hormonen gefüttert. Es verging kaum eine Woche, in der man nicht durch neue Schreckensmeldungen verängstigt wurde. In Italien soll es ein ganzes Dorf gegeben haben, in dem jedem männlichen Bewohner Brüste gewachsen sein sollen.
So ging man lieber auf den Elisabeth-Markt und kaufte frische "freilaufende Hühner". Die waren zwar teurer als die Hühner aus den Tiefkühltruhen der Supermärkte, aber man wähnte sich sicherer vor wachsenden Brüsten auf der einen und plötzlich sprießenden Barthaaren auf der anderen Seite.
Heute bekommst du fast überall frische Hühner, aber natürlich hast du keine Gewißheit, daß sie nicht mit Chemie vollgestopft sind. Die Sicherheit hast du bei keinem Fleisch. Im vorigen Jahr gab es bei uns einen großen Hormon-Kälber-Skandal. Es wird weiter gespritzt, da die Kontrollen unzulänglich sind. Außerdem arbeitet man sicher fieberhaft daran, wie man die Tiere vollpumpen kann, ohne daß die Chemie nachweisbar ist. Und die USA können überhaupt nicht verstehen, daß die EG Einfuhrsperren für amerikanisches Hormonfleisch errichtet.
Aber was mache ich denn da? Ein Kochbuch soll doch Lust aufs Essen und Freude am Essen machen! Ich muß dir auch sagen, wenn ich einkaufe, koche und esse, denke ich nur wenig an die möglicherweise überall vorhandenen Gefahren.
Früher war das anders. Als noch fast niemand an die Umwelt und gesunde Ernährung dachte, war ich, sensibilisiert durch die Anthroposophie, durchaus auf dem Gesundheitstrip. Während andere Kinder mit Alete aufwuchsen, wurdet ihr mit Demeter-Erzeugnissen und frischen Gemüsen aus dem Reformhaus ernährt. Nur irgendwann wollte ich mich auch noch um etwas anderes kümmern, als nur um die gesunde Ernährung. Heute bin ich ja fast schon ein Ignorant. Aber es tut mir leid. Ein Kuchen mit Vollkornmehl schmeckt mir einfach nicht. Man sollte versuchen, den goldenen Mittelweg zu gehen. Wenn ich allerdings kleine Kinder zu ernähren hätte, würde ich keine Kompromisse eingehen und wieder brav ins Reformhaus, in Kornkammern oder andere Gesundheitsläden wandern.
Aber nun weiter mit den Hühnern.
Daß es heute auch Hühnerteile im Angebot gibt, finde ich sehr erfreulich. So kannst du auch für zwei Leute ein Hühnergericht machen, ohne daß du es dann drei Tage lang essen mußt.
Bei Hühnern sind noch Hygienevorschriften zu beachten, die viel zu wenig bekannt sind. Meine Weisheit habe ich aus dem "Notizbuch" des Bayerischen Rundfunks. Hühner sind salmonellenanfällig. Du darfst sie nicht mit anderen Lebensmitteln zusammenbringen. Wenn du sie ein, zwei Tage im Kühlschrank aufbewahren mußt, decke sie gut ab. Wenn du rohe Hühner angefaßt hast, mußt du dir danach die Hände waschen.
Trotz alledem sind Hühner eine wunderbare Bereicherung für den Speiseplan.
Ich hoffe, daß ich dir nicht den Spaß genommen habe, die folgenden Gerichte auszuprobieren.